In unserer globalisierten Welt sind viele Ehen und Partnerschaften binational, globaler Süden inklusive. Wieso es der Staat grenzenloser Liebe allerdings heute besonders schwer macht, berichtet Cornelia Grobner.
Vor 18 Jahren hat es Daniela und Christopher aus Simbabwe in eine kleine niederösterreichische Gemeinde verschlagen. Aufstände und wirtschaftliche Not haben sie dazu bewogen, in die alte Heimat von Christophers Vater auszuwandern. „Zwei unserer drei Kinder sind in Österreich geboren, wir haben ein Haus gebaut, ich habe viele Freunde, einen guten Job und sogar einen Baum gepflanzt“, scherzt Daniela als sie gefragt wird, ob sie sich heute hier zuhause fühle.
Der Plan war, später in das südafrikanische Land zurückzukehren. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation in Simbabwe ist diese Seifenblase jedoch geplatzt. „Das macht mich manchmal sehr traurig, weil ich mich gleichzeitig integriert und doch heimatlos fühle“, so die 46-Jährige.
Hürden. Rund um den Valentinstag am 14. Februar läuft die Romantik-Industrie auf Hochtouren. Während Rosen und Schokolade vergleichsweise problemlos vom globalen Süden in den Norden wechseln, machen Staaten ihre Grenzen für verliebte Menschen dicht.
Zahlen der Statistik Austria zufolge ist fast jede dritte Ehe, die in Österreich 2015 geschlossen wurde, binational. Bei den eingetragenen Partnerschaften liegt der binationale Anteil sogar zwischen 35 und 40 Prozent. Jene Paare mit mindestens einem Teil, der nicht aus der EU stammt, haben es natürlich besonders schwer.
Tourismus, Migration, Auslandsjobs, Fluchtbewegungen: Wir leben in einer mobilen und globalisierten Welt. Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen aus allen möglichen Ecken der Erde kennen und lieben lernen.
Wenn sich ein binationales Paar in Österreich niederlassen will, mischt sich jedoch der Staat ein – heutzutage viel rigider als früher. Vor knapp zwanzig Jahren reichte Daniela und Christopher noch ein Trauschein. Jetzt müssen Paare einen Spießroutenlauf absolvieren.
Gesetzesänderung. Im Zuge der Fremdenrechtsnovelle 2006 wurde vielen binationalen Paaren quasi über Nacht das Recht auf ein Zusammenleben in Österreich abgesprochen. Aus dieser Situation heraus gründete sich der Verein „Ehe ohne Grenzen“. Die Organisation fordert die rechtliche Gleichstellung von binationalen mit österreichischen Paaren.
Die Situation habe sich in den elf Jahren Tätigkeit des Vereins verschlimmert, so Obfrau Margarete Gibba. „Es kommt zwar weniger zu dramatischen Abschiebesituationen, weil die Paare besser informiert sind und die Betroffenen lieber freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren, aber das Fremdenrecht wird immer schärfer.“
Die beiden Haupthürden der Familienzusammenführung: Ein Deutschnachweis für den „ausländischen“ Teil des Paares sowie ein Nachweis eines „gesicherten Lebensunterhaltes“ für den „inländischen“ Teil – 2017 mindestens rund 1.334 Euro netto monatlich für Ehepaare.
Neben der Organisation „Ehe ohne Grenzen“ ist der Verein Fibel eine weitere Anlaufstelle für Paare. Beraterin Gertrud Schmutzer kennt ihre Probleme: „Wenn der Partner oder die Partnerin aus einem Land kommt, aus dem viele Menschen auswandern wollen, herrscht meist Visumspflicht. Das Problem dabei ist, dass gerade für Menschen aus afrikanischen Staaten das Visum selten erteilt wird.“
Yulexy und Stefan leben gemeinsam in Oberösterreich.
Nach einem Auslandssemester auf Kuba lud die Schwester des Oberösterreichers Stefan (41 Jahre alt) ihre dort gewonnene Freundin Yulexy (36) zu sich nach Österreich auf Besuch ein. Die kubanische Staatsanwältin war zu dem Zeitpunkt unglücklich verheiratet und hatte ein Kind. Sie und Stefan verliebten sich. Yulexy wagte den Sprung ins ferne Ausland. Heute leben sie gemeinsam mit zwei Kindern in einer kleinen Landgemeinde.
„In Kuba sagten die Leute, ich ginge für ein besseres Leben weg und nicht aus Liebe. Frauen, die nach Europa auswandern, gelten als Hure“, sagt Yulexy im Rückblick. „Auch in Österreich wurde mir das einmal direkt vorgeworfen. Aber was die Leute sagen, ist mir egal.“
Hohe Anforderungen. Diese schmerzvolle Erfahrung mussten Fabian und Valérie machen. Das Paar lernte sich vor zwei Jahren in Ghana kennengelernt, wo der heute 27-jährige Österreicher als Volontär arbeitete. Valérie, 25, hatte dort nach der Flucht vor dem Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste eine zweite Heimat gefunden. Für Österreich bekommt sie nicht einmal ein Touristenvisum. „Beim Konsulat haben sie uns gleich klar und offen gesagt, dass das nichts wird“, berichtet Fabian. Eigentlich hätten die beiden in diesem Stadium der Beziehung nicht ans Heiraten gedacht. Schnell wurde klar, dass dies die einzige Chance für eine gemeinsame Zukunft ist.
Der Deutschnachweis ist nicht nur für Menschen mit niedriger formaler Bildung ein Problem, sondern auch für jene, in deren Heimatland es keines der vier zertifizierten Institute, zum Beispiel das Goethe-Institut, gibt. Die Betroffenen müssen für die Prüfung in ein anderes Land.
Der Einkommensnachweis wiederum ist für Menschen, die noch in Ausbildung stehen oder aus anderen Gründen nicht Vollzeit arbeiten können, eine oft unüberwindbare Hürde.
Gleichgeschlechtliche Verpartnerungen sind in vielen Drittstaaten nicht möglich, homosexuelle Beziehungen teilweise verboten. Wer es aber schafft, in einem Staat, für den beide ein Visum bekommen können, eine Verpartnerung zu schließen, kann diese dann in Österreich mit Beglaubigung und Übersetzung anerkennen lassen. Und dann, gleichberechtigt wie bei heterosexuellen Paaren, um Familienzusammenführung ansuchen.
Wer sich in Österreich verpartnern will, aber kein Schengen-Visum bekommt, kann nur hoffen, von der österreichischen Botschaft ein TouristInnen-Visum zu erhalten. Allerdings benötigt man dafür ausreichende finanzielle Mittel und muss eine Rückkehrbereitschaft nachweisen.
„Echte“ Liebe? „Man kennt den Verwaltungsapparat“, kommentiert Stefan die bürokratischen Hürden, die er und seine Frau Yulexy überwinden mussten. „Ich habe so viel geflucht“, erinnert sich die Kubanerin, „doch wir haben es geschafft.“ Einziger Wermutstropfen ist, dass ihr mitunter explizit unterstellt wurde, nicht aus Liebe sondern für ein besseres Leben geheiratet zu haben. „Aber mir ist nur wichtig, was mein Mann denkt“, betont die 36-Jährige und lacht.
2015 kontrollierte die Wiener Polizei nach eigenen Angaben 800 Paare und erstattete in 140 Fällen Anzeige wegen Schein- oder Aufenthaltsehe. Dass die Zahl der Verurteilungen vergleichsweise gering und österreichweit rückläufig ist, verändert an dieser Vorgehensweise nichts.
Die Politikwissenschaftlerin Irene Messinger hat zu Scheinehen in Österreich recherchiert und festgestellt, dass die Gerichte Vermutungen der Fremdenpolizei selten Recht gaben. Messinger: „In letzter Konsequenz wird es zu keiner Verurteilung kommen, wenn beide ihre Liebe beglaubigen.“ Die Forscherin verweist auf die rassistische und sexistische Konstante in den Verdachtsfällen: Die meisten Kontrollen, zu denen Wohnungsüberprüfungen und übergriffige Verhöre über Alltags- und Sexleben gehören, fanden in der Paarkonstellation österreichische Frau und afrikanischer Mann statt.
Vorurteile. Expertinnen und Experten weisen immer wieder darauf hin, dass trotz der niedrigen Deliktzahlen der Schein- und Aufenthaltsehen binationale Paare oft mit Vorurteilen konfrontiert seien, zu denen Medienberichterstattung beitrage. Wodurch wiederum die Haltung des Staates, die generell ohnehin eher ablehnend sei, beeinflusst werde.
Und das kann sich auf Integration auswirken, wie etwa das Beispiel von Marc zeigt, einem US-Amerikaner mit taiwanesischen Wurzeln: Der heute 51-Jährige hat seine Frau, die Grazerin Lena, in New York kennengelernt. Beruflich war er viel auf Reisen und hatte kein Problem, immer wieder ein Touristenvisum für Österreich zu bekommen.
Kritisch wurde die Situation allerdings mit der Geburt des ersten Kindes. Einen Vorgeschmack gab es bereits am Standesamt: Als Marc in die Geburtsurkunde seines Kindes als Vater eingetragen werden wollte, wurde ihm mitgeteilt, dass das als Tourist schlichtweg nicht geht. Dafür gäbe es im Formular kein Feld zum Ankreuzen. Dieser Moment war nur eine von vielen paradoxen Situationen, in denen der Staat der Familie das Leben schwer machte.
Marc und Lena leben mittlerweile getrennt und wollen sich scheiden lassen. Die rechtlichen Hürden seien keinesfalls der Hauptgrund dafür. Doch Lena betont: „Marc hat das Land als rassistisch erlebt, seine Ablehnung gegenüber Österreich war sehr verletzend für mich. Das war immer ein Stressfaktor in unserer Beziehung.“
Von binationalen Paaren lernen. Viele binationale Paare müssen mit behördlichen und gesellschaftlichen Vorurteilen umgehen lernen. Gleichzeitig können unterschiedliche Erstsprachen und Lebensweisen gerade in der Anfangszeit für Differenzen und Missverständnisse sorgen. Besonders, wenn die Sozialisation in den Herkunftsländern sehr unterschiedlich ist. So musste die Kubanerin Yulexy ihre Eifersucht bändigen lernen, wenn ihr Mann alleine ausging: „Das war für mich ein Lernprozess, aber jetzt bin ich auch froh über meine Freiheit.“
Die 32-jährige Mexikanerin Melina kämpft indes mit dem oft distanzierten zwischenmenschlichen Umgang hierzulande: „Ich habe anfangs die Nähe mit den Nachbarn und die vielen Herzlichkeiten vermisst. Mein Mann Martin musste meine ganze Familie ersetzen. Das war auch für ihn eine Herausforderung.“ Sie beide seien viele Kompromisse eingegangen: „Aber irgendwie geht es in einer Beziehung doch genau darum, nicht?“, meint Melina.
Fibel-Beraterin Schmutzer sieht genau in diesen Kompromissen den besonderen Wert von binationalen Beziehungen: „Sie sind ein Modellfall für Integration auf mikrosozialer Ebene, denn diese Paare zeigen, wie das Zusammenleben trotz unterschiedlicher Religion und Sprache funktionieren kann: mit gegenseitigem Respekt, Toleranz und Aushalten von Anderssein.“
Cornelia Grobner ist freie Journalistin und lebt in Wien.
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